Nachdem wir Donnerstag unseren Besuch in Irkutsk mit einem Besuch der Kasan Kathedrale und der Viktora Bronshteyna Kunst Galerie beendeten, ging es abends Richtung Bahnhof auf den Weg nach Ulan Bator. Die Reise sollte 32 Stunden dauern, was uns nach unserer 88 stündigen Fahrt von Moskau nach Irkutsk sehr überschaubar erschien.
Als wir unseren Wagen betraten staunten wir nicht schlecht, denn er war sehr viel komfortabler als wir es von der Transsibirischen Eisenbahn gewohnt waren. Die unteren Betten konnte man umklappen, sodass man tagsüber eine Sitzbank hatte und sich nicht auf das gemachte Bett seines Mitreisenden setzen musste, wenn man, wie ich, im oberen Bett schlief. Außerdem hatte man eine Art Nachttisch, der verschließbar war, sodass Wertgegenstände sicher verstaut werden konnten. Wir erfuhren, dass die Züge immer neuer und moderner waren, je höher die Zahl des Zuges war. Nur zum Vergleich: von Moskau nach Irkutsk hatten wir die Nummer 070 und von Irkutsk nach Ulan Bator die Nummer 362. Der Unterschied war auf jeden Fall spürbar. Wenn ihr also diese Reise plant und euch Komfort wichtig ist, lohnt es sich eventuell auf die Zugnummern zu achten. Ich möchte die Fahrt mit dem sehr einfach gehaltenen, einheimischen Zug in Sibirien allerdings nicht missen, hatte das Ganze doch etwas sehr Uriges und Authentisches. Glücklicherweise sprach das Zugpersonal hier jetzt auch Englisch. Dafür reisten in unserem Wagen auch nur ausschließlich Touristen mit. Auf dem Flur mischte sich englisch, mit deutsch, niederländisch und französisch, spanisch, italienisch und japanisch. Kein einziger Russe, kein einziger Mongole war weit uns breit zu sehen. In unserem Abteil reiste eine sehr nette junge Journalistin aus London mit. Wir unterhielten uns gut und betrachteten noch gemeinsam den Sonnenuntergang, der ziemlich bald nach Aufbruch des Zuges vorüber war, da wir erst um 21 Uhr Ortszeit losfuhren. In dieser Nacht schlief ich besser als jemals in einem anderen Zug.
Wenn man dann aufwacht, aus dem Fenster schaut und das Erste, das man sieht, ein Kamel ist, staunt man nicht schlecht und fragt sich, ob man noch träumt.
Die waldige, hügelige Landschaft des Baikals ist über Nacht in weite Steppen übergegangen. So weit wie hier konnte ich auf der gesamten Zugreise nicht schauen. Immer wieder durchzogen Flüsse und kleine Seen die karge Landschaft und zauberten etwas Grün hinein, immer wieder konnte man Kuhherden und Pferde entdecken, die im Schatten ein paar kleinen Bäumen oder Sträuchern Schutz suchten oder sich an einem der Wasserquellen erfrischten.
Seitdem wir den Baikal verlassen hatten, sah man auf den Bahnsteigen Streuner, die auf Leute wie mich warteten, die es kaum erwarten konnten ihren Proviant mit ihnen zu teilen. Wenn wir in die Bahnhöfe einfuhren sah ich sie schon von weitem angelaufen kommen und sie setzen sich dann mit großen Augen direkt vor die Waggontür. Ich muss glaube ich nicht erwähnen, dass ich da fast gerne schwach geworden bin und munter unser Essen verfüttert hab, was Joshua fast wahnsinnig gemacht hat. (Er würde es nie zugeben, aber zufälligerweise war die Salami nach zwei Bahnhöfen mit bettelnden Hunden ganz plötzlich sehr tief in seinem Rucksack verpackt und im Abteil, sodass ich sie nicht mehr schnell holen konnte, wenn ich einen Hund sah.)
Gegen Mittag erreichten wir die russisch-mongolische Grenze und wurden aus dem Zug geschickt. Da die Mongolei ein anderes Schienensystem als Russland hat, musste der gesamte Zug umgeschient werden und so hatten wir zwei Stunden Aufenthalt in Nauschki. Die Sonne knallte dort ziemlich stark und leider war weit und breit kein Supermarkt oder Kiosk zu sichten, in dem man sich hätte Wasser kaufen können. Da wir im Zug immer frisches Wasser aus den Samowars bekamen, hatten wir kein Trinkwasser bei uns und so beschlossen wir uns in die kühle Eingangshalle des Bahnhofes zu setzen, um die Wartezeit zu überbrücken. Sabine, eine sehr nette Österreicherin, die wir schon im Zug nach Irkutsk kennen gelernt hatten, leistete uns Gesellschaft und so ging die Zeit wie im Flug vorbei. Leider nehmen es die Mongolen nicht so ernst mit der Pünktlichkeit wie die Russen und so konnten aus zwei Stunden auch mal drei werden. Nach und nach bekamen wir wirklich Durst und auch Hunger, denn es war mittlerweile auch schon drei Uhr nachmittags. Sabine entdeckte dann doch noch ein Kiosk in einer Seitenstraße und opferte ihre letzten Rubel, um uns Eis und gekühltes Wasser zu kaufen. Wenn Du das liest, Sabine: Du hast uns das Leben gerettet!
Die russische Kontrolle war dann eine mittelmäßige Tortur. Kurz bevor wir kontrolliert werden sollten, stieg eine Mongolin mit einem überdimensional großen Koffer ein, den wir beim besten Willen nirgendwo unter bekamen. Nach vielem Hin und Her beschlossen wir ihn in den Gang zu legen, wodurch wir nun ganz still auf den Bänken sitzen mussten, ohne jegliche Beinfreiheit und ohne die wirkliche Chance ungehindert aufstehen zu können. Zunächst wurden die Pässe kontrolliert, wozu jeder Einzeln einmal aufstehen musste, damit man mit dem Passbild abgeglichen werden konnte. Da wir durch den Koffer nicht wirklich aufstehen konnten, wurde ein Kontrolleur etwas motzig und wir mussten das Abteil verlassen, sodass er es durchsuchen konnte. Außerdem musste die Mongolin den Koffer öffnen und ganz genau erklären wo, wie lange und weshalb sie sich in Russland aufgehalten hatte. Zu guter Letzt wurde dann noch ein Drogenspürhund durch unser Abteil gelotst, um auch wirklich auf Nummer sicher zu gehen, dass wir nichts Illegales versteckten. Da der Wagen die letzten drei Stunden, während wir in der Eingangshalle des Bahnhofes saßen, in der prallen Sonne stand und die Klimaanlage nur funktionierte, wenn der Zug fuhr, war es unglaublich heiß in unserem Abteil. Die Ganze Kontrolle dauerte ca. 1,5-2 Stunden und wir durften uns weder etwas zu trinken holen, noch auf die Toilette gehen.
Also wenn ihr diese Fahrt vor euch habt, nehmt euch genügend Wasser mit und nutzt die Toilette frühzeitig vor Erreichen der Grenze. In dem neumodischen Zug war diese nämlich immer in den Bahnhöfen und jeweils 20 Minuten vorher und nachher geschlossen. Sprich: sie war eigentlich immer geschlossen, wenn ich gerne mal gegangen wäre.
An der mongolischen Grenze ging es nicht ganz so streng zu, doch da sie alle Pässe einsammelten und einzeln wegen der Visa kontrollierten, saßen wir erneut eine gute Stunde im nicht klimatisierten Wagon und warteten. Dann durften wir endlich raus und hatten noch eine Stunde Aufenthalt in Süchbataar, da der Zug erneut umgebaut wurde. Insgesamt verbrachten wir also 7,5 heiße Stunden an der Grenze. Das sind Momente, in denen man Dinge wie das Schengen Abkommen sehr zu schätzen weiß! Stellt euch vor, man müsste an jeder Grenze bei jeder Reise durch so eine Tortur: ich für meinen Teil würde nicht so häufig verreisen!
Mittlerweile neigte sich der Tag dem Ende zu und da wir von der ganzen Aufregung und Hitze ziemlich geschlaucht waren und am nächsten Morgen um 4 Uhr aufstehen mussten, fielen wir schon früh in unsere Bettchen. Morgen würde ein sehr voller Tag in Ulan Bator auf uns warten und so träumte ich von Kamelen und wilden Pferden, die ich bald schon in echt sehen werden würde.