Laut einem chinesischen Sprichwort heißt es „oben gibt es den Himmel, unten gibt es Suzhou und Hangzhou“ (上有天堂,下有苏杭). Suzhou, bekannt für seine vielen Gärten, Kanäle, kleinen Gassen und versteckten Brücken, war deshalb eine weitere Station auf unserer China Rundreise. Von Shanghai erreicht man die nur 40 Minuten entfernte Stadt ganz einfach mit dem Zug.
Unter all den schönen Gartenanlagen Suzhous soll der Garten des bescheidenen Beamten (拙政园) der schönste sein. Der Garten entstand vermutlich schon während der Tang-Dynastie (618-907), wurde aber erst 1513 von dem Beamten Wang Xianchen erworben, der wegen höfischer Intrigen aus dem Dienst des Kaisers entlassen worden war und sich mit dem Garten seinen Lebensabend etwas verschönern wollte. Leider war der Sohn des Beamten nicht so bescheiden wie er selbst und verlor den Garten nach kurzer Zeit bei einer Spielwette. Während der Ming Dynastie gab es in Suzhou über 100 klassische Gärten, doch heute sind nur noch sechs übrig geblieben, die allesamt von der UNESCO als Weltkulturerbe klassifiziert wurden. Vom Stil erinnerte mich der Garten stark an den Yuyuan Park, den wir ja nur einen Tag zuvor in Shanghai besucht hatten. Auch hier fand man wunderschöne winzige hölzerne Ornamente an den Pavillons, kleine Teiche, Brücken und Felsen, die alle nach den Lehren des Feng Shui konstruierte worden waren und den Einklang von Mensch und Natur widerspiegeln. Viele der Brücken und Wege sind in einem Zick Zack angeordnet, denn die Chinesen glauben daran, dass Geister nicht um Ecken gehen können und der Mensch in dem Garten so Sicherheit, Frieden und Ruhe findet. Wahrscheinlich ist die Jahreszeit nicht optimal gewählt, um sich die Vielseitigkeit eines Gartens anzuschauen, denn insgesamt konnte ich nur sehr wenige vereinzelnde Sträucher und Bäume blühen sehen. Zudem war das Wetter nicht optimal und je später es wurde, desto schlimmer wurde die Luft um uns herum, sodass ich mir Mittags eine Atemmaske kaufen musste, da das Einatmen mittlerweile richtig im Hals brannte und ich immer wieder husten musste. Ich kann euch sagen: schön ist was anderes, aber das gehört eben auch zu China – etwas, das man in der Stadt des Frühlings wohl gerne mal vergisst und jetzt so richtig zu schätzen lernt!
Auf dem Rückweg entdeckten wir durch Zufall eine Pagode und beschlossen einen kleinen Umweg zu machen, um uns diese anzuschauen. Die Beisi Pagode gehörte zu einer Tempel Anlage mit kleinem Garten, der kostenlos besucht werden konnte. Diese Anlage gefiel mir sofort um einiges besser, als der vorher besuchte Garten. Das lag nicht unbedingt an dem freundlich lächelnden, dicken Buddha, der einen am Eingang begrüßt, sondern vielmehr daran, dass wir hier fast alleine waren, Ruhe hatten uns alles anzuschauen.
Laut einer buddhistischen Sage soll es Glück bringen im Uhrzeigersinn um die Pagode zu laufen und so drehten wir ein paar Runden, denn Glück kann man schließlich nie genug haben. In den alten Steinen des Fundaments der Pagode waren buddhistische Götter eingemeißelt, die mir besonders gut gefielen, waren sie nicht auf Hochglanz poliert und restauriert, wie man es sonst so oft hier in China zu sehen bekommt. Auch die Tempel Anlage war eher simpel gehalten – simpel aber schön! Vom Inneren der Tempel gibt es wie immer keine Bilder, doch ich kann Euch sagen, dass auch diese, wie so oft, wunderschön bunt dekoriert waren und zu den Füßen der Götter nicht nur eine Vielzahl an Obstsorten, sondern auch einige Blumensträuße als Opfergabe platziert wurden. Dadurch rochen die Räume des Tempels süßlich frisch, mischten sich mit dem mittlerweile so vertrauten Duft der Räucherstäbchen und erfüllten den Ort mit einer ganz besonders friedlichen und angenehmen Aura. Wenn ihr in Suzhou seid, kann ich also nur empfehlen diesen schönen Ort zu besuchen.
Auch die Altstadt Suzhous und besonders die Pingjianglu (平江路) ist einen Besuch wert. Diese kleine Gasse führt direkt an einem Kanal vorbei, der nach Sonnenuntergang wunderschön beleuchtet ist. Hier kann man sich bei der Vielzahl an Essensständen gar nicht entscheiden, welche kleine Sünde man als erstes kosten möchte und bei den Preisen in China tut das nicht mal der Geldbörse weh! Es ist also eine tolle Möglichkeit mal die besonderen und auch oft merkwürdig aussehenden chinesischen Snacks zu testen. Hättet ihr Euch beispielsweise an diesen Tofu getraut?
Ich hätte es fast geschafft, doch der Geruch hat mich dann doch abgeschreckt: traue niemals etwas, das wie die alten Sportschuhe deines Bruders riechen! Da das restliche Angebot zum Großteil aus Fisch, Meerestieren und Fleisch bestand, entschied ich mich ganz langweilig und so typisch Deutsch für eine Portion Bratkartoffeln – man kann auch nicht jeden Tag mutig sein!
Am zweiten Tag wollten wir eigentlich einen Tagesausflug in das Wasserdorf Tongli (同理镇) machen, doch da die Verschmutzung der Luft immer schlimmer wurde, entschlossen wir uns dem Suzhou Museum einen Besuch abzustatten. Am Eingang stellten wir überraschend fest, dass der Eintritt kostenlos war und so machte der kleine Bildungsvormittag gleich viel mehr Spaß. Das Museum stellt archäologische Funde aller Gärten und Tempel Suzhous aus: von tollen Vasen, Fächern und Schriftrollen bis hin zu wertvollem Jadeschmuck war alles vorhanden. Die Beschreibungen sind sowohl auf Chinesisch, als auch auf Englisch, sodass man es als Tourist leicht hat dem geschichtlichen Kontext zu folgen.
Im zweiten Stock gibt es zudem temporäre Ausstellungen. Als wir dort waren, konnte man beispielsweise chinesische Kalligraphie Kunst betrachten. Leider war es dort verboten Fotos zu schießen, denn dieser Teil des Museums hat mir persönlich am besten gefallen!
Nachdem wir in fast drei Stunden die Ausstellung des Museums ausführlich angeschaut hatten, waren immer noch ein paar Stunden zu überbrücken, bis unser Zug Suzhou verlassen würde und da so ein Bildungsvormittag im Museum hungrig macht, entschlossen wir uns ein etwas besseres Restaurant zu besuchen. Für welche Spezialitäten die Küche Suzhous bekannt ist wussten wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht und so steuerten wir ein Restaurant an, das uns von dem Hotelbesitzer empfohlen worden war. Vor Ort stellten wir dann fest, dass auch hier besonders gerne Meerestiere auf der Speisekarte standen. Glücklicherweise entdeckten wir aber auch einige Tofugerichte, die wir so noch nie gesehen hatte.
Als Vorspeise gab es diese frittierten Tofurollen, die mit einer süßlich-sauren Soße gereicht wurden. Jetzt hatte es also wirklich fast 6 Monate gedauert, bis ich tatsächlich einmal eine süßsaure Soße in China gegessen hatte! In Deutschland war diese ja absolut nicht von der Speisekarte eines Chinesen wegzudenken. Ich glaube ich muss nicht erwähnen, dass dieser Dip mit der Glutamat – Mischung aus Deutschland recht wenig zu tun hat. Dazu bestellten wir geschmorte Pilze und Aubergine in einer Soße nach Suzhou-Art. Auch in Kunming esse ich viel und gerne Aubergine, doch bis jetzt hat sie in jeder Provinz unterschiedlich geschmeckt. In Suzhou ist die Soße beispielsweise sehr viel milder als in Yunnan, nicht so säuerlich wie in Guangxi, und insgesamt etwas süßlicher. Leider findet man hier aber auch in fast jedem Gericht kleine Speckwürfel, die bei meiner Nachfrage bei der Bestellung totgeschwiegen wurden. Sie zählen für die Menschen hier, oder auch nur für den Kellner, wohl nicht zu Fleisch. Schlimm war das nicht, schließlich kann man ja einfach drum herum essen. Das Restaurant empfehle ich deshalb sehr gerne weiter, denn das Personal war ausgesprochen freundlich, das Essen sehr lecker, authentisch und günstig. Sucht Ihr also einmal nach lokaler Küche in Suzhou, geht am besten ins Yu shi fan dao tu zao guan (鱼食饭稻土灶管).
Obwohl wir so unglaubliches Pech mit dem Wetter hatten, konnten wir ein paar sehr schöne Orte in Suzhou finden, die bei gutem Wetter mit großer Sicherheit nochmal in einem ganz anderen Licht stehen. Auch die Gärten sind im Frühling und Sommer wohl um einiges ansehnlicher, vorausgesetzt man kann sich vor den Touristenmassen retten. Wenn man sehr vernarrt in Gärten ist, nicht müde wird sich einen nach dem anderen anzusehen, würde ich zwei Tage in Suzhou plus einen Tag für den Besuch des etwas außerhalb liegenden Wasserdorfes empfehlen. Mir persönlich haben die beiden Gärten gereicht und mit dem Besuch der Altstadt hat man dann auch die schönsten Spots der Stadt an einem Tag gesehen.
Und, um das Sprichwort der Chinesen nicht unkommentiert zu lassen: wenn es in meinem Himmel später mal solch schöne Gärten wie die in Suzhou gibt, kann ich mich glücklich schätzen. Mein Himmel ist allerdings frei von Smog, denn bei einer solch ungesunden Luft wird der schönste Ort der Welt auch mal schnell zur Hölle. Vielleicht kann Hangzhou die Wahrheit des Sprichwortes noch etwas bestärken, doch zuerst geht es für uns später nach Huangshan und ich kann es gar nicht erwarten den gelben Berg zu erklimmen und ein paar tiefe Atemzüge der frischen Luft dort oben einzuatmen.