Die letzten Tage meines Aufenthaltes in China sind angebrochen, in kaum mehr als zwei Wochen verlasse ich das Land der Mitte schon wieder, kann man es fassen?! Neben der Vorfreude auf meine Familie in Deutschland, schleicht sich allerdings auch immer wieder ein Gefühl der Nostalgie ein, habe ich in diesem verrückten Land doch auch wahnsinnig viele, sehr sehr schöne Momente erlebt. Der letzte Monat ist also noch einmal dafür da, all die Dinge zu genießen, die ich an dem Leben in China so schätze und um noch all die Orte zu besuchen, die ich noch nicht gesehen habe. Ganz oben auf dieser Liste stand schon sehr lange die kleine Stadt Shangri La ganz im Nord-Westen Yunnans, die Heimat der tibetischen Minderheit Chinas.
Shangri La (香格里拉) hieß ursprünglich eigentlich Zhongdian und wurde 2001 zur Förderung des Tourismus umbenannt. Laut Recherchen der chinesischen Regierung zu Folge, soll es sich bei dieser Gegend nämlich um den paradiesischen, fiktiven Ort nahe des Himalaya Gebirges handeln, den der Schriftsteller James Hilton in seinem Roman „der verlorene Horizont“ (1933) beschrieben hatte. Ob das ehemalige Zhongdian wirklich so paradiesisch und friedlich ist, wie es sich in China erzählt wird, wollte ich vor Abreise noch unbedingt selbst erfahren!
Da man die Stadt nicht mit dem Zug erreichen kann und der Weg mit dem Flugzeug etwas kostspielig ist, entschieden wir uns einen Nachtbus zu nehmen. Mit einem Nachtzug war ich schon einige Male durch China gereist und war von dem Komfort und dem niedrigen Preis positiv überrascht gewesen. Ein Schlafbus sollte dann doch ähnlich sein, oder nicht? Leider hatte ich da falsch gedacht. Liegt man im vorderen Teil des Busses, hat man eine eigene schmale Liege für sich – nicht sehr luxuriös, aber für eine Nacht vollkommen ausreichend. Ich hatte allerdings das Glück eine Liege in der hintersten Reihe erlangt zu haben. Hier sah es fast wie in einem Campingwagen aus, nur dass auf der Fläche hier nicht Zwei, sondern Fünf Menschen nebeneinander schlafen mussten. Meine „Liege“ war nicht einmal breit genug, sodass ich meine Arme hätte neben mir ausstrecken können. So musste sich eine Sardine in der Dose fühlen, dachte ich noch, während ich dort die nächsten Zwölf Stunden mit auf der Brust verschränkten Armen lag und kein Auge zu bekam, während mein „Liegenachbar“ gemütlich in mein Ohr schnarchte und mir mit seinem Arm gelegentlich ins Gesicht schlug. Was soll ich noch dazu sagen? Immerhin hab ich wieder eine Geschichte mehr zu erzählen und langsam hab ich das Gefühl sagen zu können, dass es kaum eine Erfahrung gibt, die ich im letzten Jahr nicht gemacht habe!
Kommt man nach Shangri La, sollte man am besten in einem der zahlreichen Hostels der Altstadt unter kommen. Die kleinen verwinkelten Gassen, die alten Holzhäuser, die den Guishan Tempel einrahmen, haben wirklich etwas Altertümlich, fast etwas Romantisches. In den Häusern sind kleine Läden mit den schönsten handgemachten Souvenirs angesiedelt und obwohl all dies sehr zum shoppen einlädt, hat man nicht das Gefühl in einem Touristenzentrum zu stecken. Den Tempel der Altstadt steuerten wir zuerst an, denn von dort aus soll man einen tollen Blick über die Stadt erhaschen können.
Hier oben befindet sich außerdem die weltweit größte Gebetsmühle, an der man die tibetische Minderheit zu fast jeder Tageszeit bei ihren Gebeten auffinden kann. Eine Runde um die Mühle bringt einem Glück und so gesellten wir uns gleich mehrere Runden dazu, denn Glück kann man schließlich nie genug haben, oder?
In 3200 Metern Höhe kommt man auch bei dem kleinsten Berg doch mal schnell aus der Puste. Trotzdem ging es danach direkt weiter zu einer der schönsten Sehenswürdigkeiten Shangri La’s: der Ganden Songtsenling (噶丹松赞林寺), einem Kloster des tibetischen Buddhismus.
Schon der Anblick aus der Ferne ist die Fahrt aus der Stadt heraus wert: ich fühlte mich plötzlich wie in Tibet, konnte kaum glauben, dass das hier China war! Im Inneren des Klosters war es an den meisten Stellen untersagt Fotos zu schießen und so habe ich nur ein paar Impressionen außerhalb der Gebets-Räume mit euch zu teilen. Doch ich finde, dass auch nicht immer alles fotografiert werden sollte: es ist ein heiliger Ort und die dort lebenden Mönche möchten beim Beten und Arbeiten schließlich nicht gestört werden. Ich denke, dass es nur so möglich ist, die angenehme ruhige Atmosphäre in den heiligen Gebäuden des Klosters bewahren zu können.
Am zweiten Tag regnete es leider und so beschlossen wir uns dazu einen Thangka Mal Kurs im Thangka Center Shangri La’s zu belegen. In Deutschland hatte ich schon eine Hausarbeit über die Entwicklung der tibetischen Thangka Kunst durch den Einfluss Chinas in den letzten Jahren geschrieben und war deshalb umso neugieriger, wie Künstler der chinesischen Minderheit heutzutage nun wirklich praktizierten. Zunächst gab es eine kleine Führung durch den Showroom im Untergeschoss, in dem die vor Ort gemalten Thangkas zum Verkauf ausgestellt sind. Von Mandalas, über goldene Thangkas bis hin zu gestickten Kunstwerken: hier konnte man so ziemlich alles finden. Uns wurde erklärt, dass in jedem Kunstwerk eine eigene Geschichte erzählt wird. Oft geht es dabei um die persönliche Weiterentwicklung, wie sich der Mensch am besten von den negativen Einflüssen unserer Welt abgrenzen und als Teil des Universums im Einklang leben kann.
Nach der Führung ging es ins Obergeschoss, wo sich das Atelier befand. Wir bekamen eine Vorlage und dann ging es auch schon los. Beim Zeichnen der Götter ist es besonders wichtig die Proportionen zu beachten und so brauchten wir allein für die Skizze den halben Vormittag. Doch das Zeichnen und nachträgliche Ausmalen zu tibetischen Klängen hatte etwas wirklich Meditatives und ich habe die Stunden sehr genossen. Wenn man also nicht so viel Glück mit dem Wetter hat, dann ist ein solcher Mal Kurs eine wirklich gute Alternative seinen Tag zu gestalten. Für 120 Yuan bekommt man nicht nur das nötige Material und Know How mit an die Hand, sondern kann am Ende des Tages auch noch ein Souvenir mit nach Hause nehmen, das einen auf Ewig an seine Reise erinnert.
Möchte man die Natur rund um Shangri La genießen, bietet sich ein Besuch im Potatso Nationalpark an. Der Park liegt etwas außerhalb der Stadt, ist aber ganz leicht mit dem Bus in unter einer Stunde zu erreichen. Da er auf stattlichen 3600 Metern Höhe liegt, sollte man allerdings ein bisschen mehr Zeit im Park selbst einplanen, denn schon beim kleinsten Hügel kann sich die dünne Luft bemerkbar machen. Da wir in Kunming schon in 2000 Metern Höhe leben und zu diesem Zeitpunkt schon zwei Tage in der Altstadt Shangri La’s verbracht hatten, machte uns die Höhe nicht mehr so viel aus. Für andere Touristen wurden allerdings an jeder Ecke Sauerstoff Flaschen verkauft und so hatte man auf seinem Weg durch die Natur immer mal wieder das Gefühl, Darth Vader würde hinter dem nächsten Baum auf einen warten.
Normalerweise kann man sich mehrere Stunden im Nationalpark aufhalten und zwei verschiedene Seen auf seiner Wanderung bestaunen. Seit letztem Jahr ist allerdings nur noch der Shudu See für Besucher geöffnet. Auf unsere Frage hin, wieso der Bita See und Umgebung zur Zeit geschlossen sei, wurde uns nur mitgeteilt, dass die Schließung dem Schutze der Umwelt diene. Ob der Bita See in Zukunft also wieder geöffnet sein wird, müsste man selbst vor Ort noch einmal erfahren. Den Weg raus aus der Stadt würde ich nämlich nur auf mich nehmen, wenn beide Seen zugänglich sind, da man sonst mehr Zeit im Bus, als in der Natur verbringt. Trotzdem war es schön die frische Luft dort draußen zu genießen, den wilden Pferden beim grasen zuzusehen. Abseits der nach Sauerstoff schnappenden Touristen kann man außerdem den unzähligen Vögeln in den Bäumen lauschen. Und wenn man nahe der Eifel groß geworden ist, dann fühlt man sich fast wie zurück in der Heimat.
Besucht man fremde Orte ist Eines natürlich auch immer sehr interessant: was essen die Menschen hier? Bei der lokalen Küche Shangri La’s dreht sich alles um das Yak. Da ich kein Fleisch esse, hätte ich in den meisten Restaurants in die Röhre geguckt, doch zum Glück sind ein paar Lokale auf den Tourismus eingestellt und bieten vegetarische Gerichte an. Zum Frühstück gab es selbst gebackenes Maisbrot, Chura loenpa- ein süßlicher Weichkäse, der aus Restbeständen von Buttermilch gemacht wird und dazu gereichten Buttertee. Ich fühlte mich ein bisschen zurück in unsere Zeit in der Mongolei versetzt, denn auch dort gab es diesen Käse in gehärteter Form. Den süßlich-sauren Geschmack des Käses fand ich schon vor fast einem Jahr nicht sonderlich lecker. Hier in Kombination mit dem Brot schmeckte es mir aber schon besser. Leider lag er mir danach noch den restlichen Vormittag ziemlich schwer im Magen, was allerdings auch damit zusammenhängen kann, dass ich nun seit fast einem Jahr kaum Milchprodukte zu mir genommen habe. Der Buttertee schmeckte, wie es sein Name schon verrät, als habe man ein Stück Butter mit ziemlich viel Salz in heißem Wasser aufgelöst. In Kombination mit dem süß-sauren Weichkäse auf dem Brot sorgte er für eine angenehme Abwechslung, doch nochmal würde ich diesen Tee nicht mehr bestellen. Vielleicht merkt ihr es schon, aber die tibetische Küche war jetzt nicht das Highlight meiner Reise. Trotzdem war es interessant es einfach mal probiert zu haben.
Was mich allerdings überraschte: in Shangri La ist die Bierauswahl sehr umfangreich! Das gleichnamige Bier wird hier vor Ort von einem in der Schweiz geborenen Tibeter gebraut und ist mit Abstand das leckerste unter den chinesischen Bieren. Sehr zu empfehlen ist besonders die Sorte „Fat Dolma“. Es ist ein Starkbier, dessen Geschmack fast an fruchtige Blüten erinnert. Das Bier ist so beliebt, dass es bald auch in Deutschland zu erwerben sein soll.
Egal wie abenteuerlich die nächtliche Busfahrt bis hin zu den Tibetern auch war: es hat sich auf alle Fälle gelohnt! Shangri La landet definitiv weit oben auf meiner Liste der schönsten Orte Chinas. Für mich hat dieser Ort auf jeden Fall etwas ähnlich paradiesisches, wie es James Hilton schon vor langer Zeit beschrieben hat. Ob es sich letzten Endes aber wirklich um den gleichen Ort handelt, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
LIebe Caro, ich danke Dir sehr für diesen intensiven Beitrag!!!und ich freue mich , aufs Wiedersehen,, , wenn Du wieder da bist,, Herzlichst Deine Dich bewundernde Oma Marga
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Danke für diesen Reisebericht. Auch ich habe vor ein paar Jahren diesen Ort besucht und war ebenfalls fasziniert ( siehe Blog Beitrag). Es bringt viele schöne Erinnerungen wieder ins Gedächtnis. 😀Vielen Dank dafür.
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